Rede vorlesen

Die freie Rede gilt als die Kür der Vorträge: Jedes Wort sitzt. Der Kontakt zum Auditorium bricht auch im stärksten Fluss der Worte nicht ab. Mimik und Gestik untermalen jedes gesprochene Wort. Redner und Inhalte überzeugen ganz natürlich und authentisch. Doch gilt das wirklich nur für die freie Rede? Anhand ausgewählter Beispiele aus Politik und dem privaten Umkreis zeigt Robert Spengler, dass eine Rede, wird sie richtig vorgelesen, das gleiche Gänsehaut-Gefühl erzeugen und überzeugen kann, wie ein freier Vortrag. Und, dass es Reden gibt, die Sie vorlesen müssen. Wort für Wort.

Eher zufällig blieb ich beim Zappen durch das Fernsehprogramm bei der Rede des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zur Erinnerung an das Weltkriegsende vor 100 Jahren hängen. Und ich war gefesselt: von der Aussagekraft und Prägnanz seiner Worte. Und von der glaubwürdigen Empathie mit den Kämpfern und Gefallenen vor mehr als 100 Jahren. Fast hatte ich das Gefühl, Macron selbst wäre auf dem Schlachtfeld dabei gewesen. Und einmal glaubte ich sogar eine Träne in den Augen des russischen Präsidenten Putin gesehen zu haben. Was mich jedoch am meisten fasziniert hat: Macron hat diese, fast 20 Minuten dauernde Rede, vorgelesen. Und wie! Seine deutliche Aussprache: brillant. Seine bewusst gesetzten Pausen: gekonnt. Seine eindringlichen Wortwiederholungen: wirkungsstark. Sein Tempowechsel: spannend bis zum Schluss. Sein Blickkontakt zum hochrangigen Auditorium: ging unter die Haut.

Noch am selben Tag habe ich dazu auf Facebook gepostet: „Reden von Politikern langweilen mich meist. Zum Glück hatte ich heute, eher zufällig, Macrons Rede gehört. Wow, hat mich diese berührt. Missglückt ist nur der Titel der ARD. Mich interessiert nicht das Kriegsende von 1918. Mich interessiert das Jetzt und die Zukunft. Genau darüber hat Macron gesprochen, mit klaren Botschaften an die Machtbesessenen unserer Welt. Respekt.“  Haben Sie die Rede auch gesehen? Wie war Ihr Eindruck? Ich freue mich auf Ihre E-Mail an welcome@robert-spengler.de

Tipps zum Thema: Wie Sie eine Rede richtig vorlesen

Rede-Zettel

Was hat Macron also richtig gemacht? Er hat sich vorbereitet. In dem er die Rede vorab mehrmals gelesen hatte, wusste er genau, wann eine Pause die Wirkung seiner Worte unterstreicht und wann er mit den Augen sprechen darf. Deshalb hier meine Tipps

  • Lesen Sie eine Rede zur Vorbereitung bis zu 6 x laut und deutlich vor
  • Bauen Sie bewusste Pausen ein
  • Bewahren Sie den Spannungsbogen durch passende Tempowechsel
  • Halten Sie Blickkontakt zum Publikum
  • Sprechen Sie deutlich
  • Machen Sie es wie ich: Zeichnen Sie Pausen und Tempowechsel auf Ihr Skript (siehe Foto)

Tipps zum Thema: Wann Sie eine Rede vorlesen können

Gute Gründe, die für das ganze oder teilweise Vorlesen einer Rede sprechen, sind

  • Unsicherheit im Thema
  • Hervorhebung von Zitaten
  • Menschen eine besondere Ehre erweisen (z.B. in einer Laudatio)

Insbesondere, wenn Sie sich in einem Themenbereich unsicher fühlen, ist es sinnvoller, darauf hinzuweisen und die notwendigen Informationen deutlich vorzulesen, als nervös auf einen Stichwortzettel zu spicken. Indem Sie komplexe Zusammenhänge verständlich vorlesen, können Sie diesen mithilfe von Pausen und Körpersprache Nachdruck verleihen.

Tipps zum Thema: Wann Sie eine Rede vorlesen müssen

Vor wenigen Wochen wurde ich gebeten, die Rede der Braut beim Hochzeitsempfang vorzutragen. Der Grund: die Braut war krank und konnte bei ihrer eigenen Hochzeitsparty nicht dabei sein. Wie ich die Rede vorgelesen habe? Wort für Wort. Natürlich hatte ich mich dabei an meine eigenen Tipps gehalten. Ich habe die Rede geübt und bin dabei gedanklich in die Rolle der Braut geschlüpft.  Das Ergebnis war eine authentische Rede mit Tränen der Freude und Rührung beim Ehemann und den  Gästen.

Sie müssen eine Rede vorlesen, wenn

  • Sie anstelle einer anderen Person vortragen
  • es auf jedes Wort ankommt
  • Sie authentisch und glaubwürdig bleiben wollen/müssen

Dabei nicht vergessen: Übung macht den Rede-Meister!

Bild 1: © Tilman Weishart
Bild 2: © Robert Spengler